EMDR und Brainspotting
Wenn Worte nicht reichen, um zu heilen.
Wie wir über Augenbewegungen und Blickrichtungen den natürlichen Selbstheilungsmodus Ihres Gehirns aktivieren, um belastende Erinnerungen endlich zu verarbeiten.
Warum die Zeit eben doch nicht alle Wunden heilt.
Vielleicht haben Sie den Satz „Die Zeit heilt alle Wunden“ schon oft gehört. Und vielleicht spüren Sie schmerzlich, dass er für Sie nicht stimmt.
Es gibt Erlebnisse, die so überwältigend, bedrohlich oder beschämend waren, dass unser Gehirn sie nicht „normal“ verarbeiten konnte. Ein gesundes Gehirn „verdaut“ tägliche Erlebnisse ähnlich wie der Magen die Nahrung: Es sortiert Wichtiges von Unwichtigem und speichert die Erfahrung als „Vergangenheit“ ab.
Bei einem Trauma – sei es ein einmaliger Schock (Unfall, Übergriff) oder anhaltender früher Stress (Vernachlässigung, emotionale Kälte) – ist das Gehirn überfordert. Das Verarbeitungssystem „hängt sich auf“.
Die Folge: Die Erinnerung wird nicht als „Vergangenheit“ abgelegt, sondern bleibt im emotionalen Zentrum des Gehirns (dem limbischen System) stecken – und zwar roh, ungefiltert, mit allen damaligen Bildern, Geräuschen und vor allem den massiven körperlichen Angstgefühlen.
Wenn Sie heute durch einen Geruch, ein Geräusch oder eine Situation an damals erinnert werden (ein „Trigger“), reagiert Ihr Körper nicht auf eine Erinnerung. Er reagiert, als ob die Gefahr jetzt gerade wieder passiert. Sie werden von alten Gefühlen überflutet, der Körper spannt sich an, Sie erstarren oder geraten in Panik.
Gegen diese archaische Reaktion des Nervensystems kommt der Verstand nicht an. Deshalb hilft „nur darüber reden“ oft nicht nachhaltig. Wir brauchen Methoden, die direkt die „feststeckende“ Verarbeitung im Gehirn wieder anschieben. Hier kommen EMDR und Brainspotting ins Spiel.
Den natürlichen Heilungsmechanismus des Gehirns nutzen.
Sowohl EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) als auch Brainspotting nutzen einen Mechanismus, den wir alle kennen: den REM-Schlaf (Rapid Eye Movement).
Wenn wir träumen, bewegen sich unsere Augen schnell hin und her. Die Forschung geht davon aus, dass das Gehirn in dieser Phase die Eindrücke des Tages verarbeitet und ins Langzeitgedächtnis integriert.
Bei EMDR und Brainspotting ahmen wir diesen natürlichen Prozess im wachen Zustand nach. Wir nutzen eine sogenannte „bilaterale (beidseitige) Stimulation“. Das können geleitete Augenbewegungen sein (Sie folgen meinen Fingern mit den Augen), aber auch abwechselnde Töne über Kopfhörer oder sanftes Klopfen auf die Knie (Tapping).
Diese Links-Rechts-Stimulation scheint die Kommunikation zwischen den beiden Gehirnhälften zu verbessern und das „festgefahrene“ emotionale Zentrum zu beruhigen. Es ist, als würden wir den „Reset-Knopf“ für das blockierte Verarbeitungssystem drücken. Der „Datenstau“ löst sich auf, und das Gehirn kann endlich beginnen, das belastende Ereignis zu verdauen und dorthin zu sortieren, wo es hingehört: in die Vergangenheit.
EMDR: Strukturierte Verarbeitung von Belastungen.
EMDR wurde Ende der 80er Jahre von Dr. Francine Shapiro entwickelt und ist heute eine der weltweit am besten erforschten Methoden zur Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS).
Wie eine EMDR-Sitzung abläuft: EMDR ist ein sehr strukturierter Prozess in acht Phasen. Wir stürzen uns nicht sofort in das Trauma. Zuerst schaffen wir Sicherheit und Stabilität („Sicherer Ort“).
Erst wenn Sie sich stabil fühlen, fokussieren wir uns gemeinsam kurz auf das belastende Bild oder Gefühl – während ich gleichzeitig die bilateralen Augenbewegungen anleite.
Sie müssen dabei nicht alles im Detail erzählen. Wir stoßen den Prozess nur an und lassen Ihr Gehirn arbeiten. Zwischen den Sets von Augenbewegungen machen wir Pausen und schauen: Was hat sich verändert? Wird das Bild blasser? Nimmt der Druck auf der Brust ab?
Das Ziel ist die „Desensibilisierung“: Sie können sich an das Ereignis erinnern, aber die überwältigende emotionale und körperliche Ladung ist verschwunden. Es ist nur noch eine Geschichte aus Ihrer Vergangenheit, die Sie heute nicht mehr bedroht.
Brainspotting: Wohin Sie schauen, beeinflusst, wie Sie fühlen.
Brainspotting (BSP) wurde von dem Therapeuten David Grand aus dem EMDR heraus entwickelt. Es ist eine noch sanftere, tiefere und flexiblere Methode.
Der Leitsatz lautet: „Wo wir hinschauen, hat Einfluss darauf, wie wir uns fühlen.“
Vielleicht kennen Sie das: Wenn Sie über ein schwieriges Thema nachdenken, starrt Ihr Blick oft unwillkürlich auf einen bestimmten Punkt im Raum. Das ist kein Zufall. Ihr Gehirn sucht instinktiv nach der Augenposition, die mit dem inneren Thema verknüpft ist.
Wie wir mit Brainspotting arbeiten: Anders als beim EMDR bewegen wir die Augen nicht schnell hin und her. Stattdessen suchen wir gemeinsam ganz achtsam nach diesem einen Punkt in Ihrem Gesichtsfeld – dem „Brainspot“. Das ist der Punkt, an dem die körperliche Resonanz auf das Thema am stärksten ist (z.B. wo der Kloß im Hals am deutlichsten spürbar ist).
Wir halten den Blick auf diesem Punkt (oft mit Hilfe eines Zeigestabs), während Sie gleichzeitig über Kopfhörer leise, spezielle biolaterale Musik hören.
Diese Kombination aus fixiertem Blick und Musik ermöglicht einen extrem tiefen Zugang zu den Selbstheilungskräften des Gehirns – oft auch zu Themen, die vor-sprachlich sind oder für die es keine klaren Bilder gibt. Brainspotting wirkt oft mehr „im Körper“ und weniger „im Kopf“. Es ist eine sehr ruhige, intensive Arbeit, bei der wir dem inneren Prozess des Klienten vertrauensvoll folgen („im Schwanz des Kometen reisen“, wie David Grand es nennt).
Welches Verfahren ist das richtige für mich?
Beide Methoden sind unglaublich kraftvolle Werkzeuge in der modernen Traumatherapie. Sie ergänzen sich perfekt.
- EMDR ist oft die Methode der Wahl, wenn es um klar umrissene, einzelne traumatische Ereignisse geht (z.B. ein Autounfall, ein Überfall) und wenn Sie eine klare Struktur schätzen.
- Brainspotting zeigt seine Stärken oft bei komplexeren Themen, frühen Entwicklungstraumata, starken körperlichen Symptomen oder wenn Klienten Schwierigkeiten haben, Bilder zu visualisieren. Es ist oft noch etwas schonender, da wir nicht immer wieder aktiv in die Belastung hineingehen müssen.
In meiner Praxis in München müssen Sie sich nicht entscheiden. Wir schauen gemeinsam in der Anamnese, was Ihr Nervensystem braucht und welcher Zugang für Sie am stimmigsten ist. Oft kombinieren wir die Stärken beider Ansätze.
Das gemeinsame Ziel ist immer: Die Vergangenheit endlich ruhen zu lassen, damit Sie im Hier und Jetzt frei durchatmen können.
